Historie

Über die Geschichte des Städtebau-Instituts

Städtebau als eigenständiges Lehrfach gibt es in Stuttgart seit 1901, als der Münchner Stadtbaumeister Theodor Fischer (1862-1938) auf den neuen Lehrstuhl für „Baukunst und Bauentwürfe einschließlich Städteanlage“ berufen wurde. Fischers Wirken in Stuttgart war kurz, doch fruchtbar.

Als Fischer 1909 den Ruf für die Städtebauprofessur an der TH München erhielt, wurde sein ehemaliger Assistent Paul Bonatz (1877-1956) auf den Stuttgarter Lehrstuhl berufen. Bonatz und sein Kreis setzten die von Fischer begonnene Erneuerung der Lehre durch die „Erziehung zum Können“ fort. Neben dem Bauhaus stieg die „Stuttgarter Schule“ zur führenden Architekturfakultät an einer deutschen Technischen Hochschule auf. Auch Paul Schmitthenner, der Baukonstruktion lehrte, widmete sich städtebaulichen Fragen. 1919 richtete Bonatz einen Lehrauftrag für „Städtebau und Siedlungswesen“ ein (Adolf Muesmann 1919-21; 1921-24 Heinz Wetzel). 1925 wurde Wetzel zum Professor berufen, im selben Jahr zog sich Bonatz aus der reinen Städtebau-Lehre zurück. Wetzels Lehre einer ortsbezogenen Stadtbaukunst fand weite Anerkennung, sein Ruf als Lehrer wurde davon überschattet, dass er nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten die Position des Rektors an der Universität übernahm (1933/34).

In der Nachkriegszeit prägten zwei Protagonisten der Moderne die Städtebau-Lehre: Richard Döcker (1894-1968) und Rolf Gutbier (1903-1992). Döcker wurde 1947 Professor für „Städtebau und Wiederaufbau“. 1948 kam Gutbier als außerordentlicher Professor für „Siedlungswesen und Entwerfen“ hinzu, 1953 wurde er zum ordentlichen Professor berufen und gleich zum Rektor gewählt (bis 1955).

Die Emeritierung Döckers 1960 läutete eine Phase der Neuorientierung ein – der Blick richtete sich auf die skandinavische Moderne mit ihrer eigenständigen Verpflichtung zum Genius loci und zum menschlichen Maßstab. In diesem Sinne wurde als Nachfolger von Döcker 1966 der Finne Antero Markelin (1931-2005) berufen, er lehrte Städtebau und Entwerfen bis 1997.

Die Gründung des Städtebaulichen Instituts wiederum geht auf das Jahr 1964 zurück. Auf Initiative von Rolf Gutbier entstand es als Forschungsabteilung des Lehrstuhls und wurde 1966 zur lehrstuhlübergreifenden Einrichtung geformt, die bis heute für die Lehre und Forschung im Städtebau an der Fakultät Architektur und Stadtplanung der Universität Stuttgart verantwortlich ist. Seit 1998 trägt sie den Namen „Städtebau-Institut“ (SI). Der erste Leiter war der damalige Akademische Rat Hansmartin Bruckmann, später Professor für Stadtplanung an der TU Braunschweig und von 1974 bis 1996 Baubürgermeister der Stadt Stuttgart.

Nach der Hochschulreform in den 1970er Jahren entstanden drei neue Fachgebiete, die im Rahmen der Neuordnung des Städtebau-Instituts ab 2015 ihrerseits eine Wandlung erfahren haben. Das Fachgebiet „Grundlagen der Orts- und Regionalplanung“ (1978) wurde zuerst von Georg Hecking (1932-1989) geleitet, auf ihn folgte 1992 Johann Jessen. Mit der Neubesetzung durch Laura Calbet i Elias 2020 erfolgte eine Umbenennung in „Theorien und Methoden der Stadtplanung“.

1979 gegründet, wurde das Fachgebiet „Stadtgestaltung und Stadtentwicklungsplanung“ von Michael Trieb (1936-2019) geleitet; mit Triebs Emeritierung 2001 wurde dieses Fachgebiet in den Lehrstuhl „Städtebau und Entwerfen“ eingegliedert.

Im Jahr 1990 entstand schließlich das Fachgebiet „Planen und Bauen in Entwicklungsländern“, dem, 1992 in „Städtebau in Asien, Afrika und Lateinamerika (SIAAL)“ umbenannt, bis 2009 von Eckhart Ribbeck vorstand; 2010 in „Internationaler Städtebau“ umbenannt, wurde das Fachgebiet zuerst von Philipp Misselwitz geleitet (2013 nahm er eine Professur an der TU Berlin an), und dann, als Vertretungsprofessorin, von Nina Gribat.

Mit der Berufung von Astrid Ley im Jahr 2014/15 wurde dieses Fachgebiet in einen Lehrstuhl umgewandelt, der die Aufgaben des früheren Lehrstuhls „Städtebau und Entwerfen“ übernahm. Gleichzeitig wurde der letztgenannte Lehrstuhl, von 1997 bis 2015 von Helmut Bott geleitet, dem Nachfolger von Antero Markelin, in ein neues Fachgebiet umgewandelt: „Freiraumgestaltung“, seit 2015 von Ulrike Böhm geführt.

Am Lehrstuhl für Stadtplanung und Entwerfen wurde als Nachfolger von Gutbier 1972 Egbert Kossak (1936-2016) berufen, 1981 ging er als Oberbaudirektor nach Hamburg. Ihm folgte 1982 Klaus Humpert (1929-2020), der 1994 den Stab weiter an Franz Pesch reichte. Seit 2014 leitet Martina Baum diesen Lehrstuhl.

In den letzten fünf Jahrzehnten ist Stadtplanung politischer, wissenschaftlicher, interdisziplinärer und internationaler geworden. Dies spiegelt sich auch im Wandel der Lehrinhalte und  -formen, der Forschungsthemen und des öffentlichen Auftritts wider. Gleichzeitig ist das SI stets auch einem integrierten Verständnis von Städtebau als gestalterische Entwurfsaufgabe verpflichtet geblieben.

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Publikationen

Städtebau-Institut der Universität Stuttgart (Hrsg.):
Blick zurück nach vorn. 50 Jahre Städtebau-Institut Universität Stuttgart 1964-2014.
Städtebau-Institut: Stuttgart, 2015.
Katalog zur Ausstellung „50 Jahre Städtebau-Institut“
Erhältlich am SI

Jessen, Johann / Philipp, Klaus Jan (Hrsg.):
Der Städtebau der Stuttgarter Schule.
Kultur und Technik Bd. 29, Schriftenreihe des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung (IZKT) der Universität Stuttgart. LIT Verlag: Berlin, 2015
Erhältlich am IZKT und im Buchhandel

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