SI / EMERITI

Übersicht der Professoren, die von 1994 bis 2015 das Städtebau-Institut (bis 1994 Städtebauliches Institut) geprägt haben.

Professor und Leiter des Lehrstuhls für Städtebau und Entwerfen von 1966 bis 1997, Dekan von 1969 bis 1971, von 1977 bis 1978 und von 1992 bis 1995

Antero Markelin (1931-2005) aus Finnland war der erste ausländische Professor an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung der Universität Stuttgart. Weltbürgerliche Offenheit und Internationalität zeichneten seine gesamte Laufbahn aus. Nach dem Studium in München und Helsinki sowie der ihn prägenden Berufserfahrung bei Aarne Ervi gründete Markelin 1961 sein eigenes Büro und wurde Assistent für Städtebau an der TU Helsinki (1962-1965).

Im Umfeld der progressiven skandinavischen Nachkriegsmoderne, die weltweite Anerkennung fand, entwickelte sich Markelin zu einem Cicerone und führte ausländische Gäste in die finnische Baukultur ein, darunter auch Professoren der TH Stuttgart. Daraufhin hielt er 1962 einen Gastvortrag in Stuttgart und wurde 1966 auf den Lehrstuhl von Richard Döcker berufen.

Markelin pflegte eine integrative Sicht auf die Stadtplanung in der Überzeugung, dass der Stadtraum das wichtigste Element im Städtebau sei. Ein reges Interesse zeigte er für die Schnittstelle zwischen Städtebau und Architektur, insbesondere für die sinnlich-atmosphärische Stadtgestaltung im menschlichen Maßstab.

Markelin gründete 1975 das Simulationslabor (die Grundlage des heutigen digitalen SI-Medienlabors) und förderte die Entstehung des Fachgebiets Stadtgestaltung und Stadtentwicklungsplanung (1979). Die Seminar- und Vorlesungsreihe »Städtebau-International« und Auslandsexkursionen zeugten von der internationalen Ausrichtung seiner Lehre. 1985 hatte er (zusammen mit R. Müller) die erste Stadtbaugeschichte Stuttgarts vorgelegt.

In den Studentenunruhen um 1970 engagierte sich Markelin in intensiven persönlichen Gesprächen mit Studenten und Professorenkollegen. Er hatte entscheidenden Anteil daran, dass das Städtebau-Institut gestärkt aus den Unruhen hervorging und innerhalb der Fakultät als gleichberechtigter Partner anerkannt wurde. In der Folge wurde Markelin drei Mal zum Dekan gewählt.

Zugleich war Markelin freiberuflich als Architekt und Stadtplaner in Deutschland und Finnland tätig, oft mit dem Schwerpunkt Stadtgestaltung und Lichtplanung.

1994 hatte er die Alvar-Aalto-Gesellschaft e. V. in München mitgegründet (1. Vorsitzender von 1994-2005). Für seinen Beitrag zur baukulturellen Verständigung zwischen Deutschland und Finnland ist er 1999 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden.

Zum Gedenken an Markelin veranstaltete das SI im November 2006 das Internationale Symposium »Inszenierung, Branding, Stadtmarketing: Stadtgestaltung in der Globalisierung«.

 

Wissenschaftlicher Assistent von 1935 bis 1947 (mit Unterbrechungen), außerordentlicher Professor von 1948 bis 1952, Professor und Leiter des Lehrstuhls für Stadtplanung und Entwerfen von 1953 bis 1971, Rektor der Universität von 1953 bis 1955

Rolf Gutbier (1903-1992) wurde 1953 als Ordinarius auf den Städtebau-Lehrstuhl berufen, dem vor dem Zweiten Weltkrieg Paul Bonatz vorstand. An der Universität Stuttgart war Gutbier bereits seit 1935 als Assistent bei Professor Keuerleber tätig gewesen. Aufgrund seiner Wettbewerbserfolge als freier Architekt wurde er 1948 zum außerordentlichen Professor berufen, 1953 wurde er zum ordentlichen Professor ernannt. Er war Rektor der Universität Stuttgart von 1953 bis 1955.

Dank seines Verhandlungsgeschicks und seines Ansehens als Fachexperte gelang es ihm, die Stuttgarter Stadtpolitik davon zu überzeugen, einen Teil der Universität als Campus für die Architektur und die Geisteswissenschaften auf dem Gelände der Technischen Hochschule in der Stadtmitte zu entwickeln. Dafür lieferte er den städtebaulichen Rahmenplan und, in Zusammenarbeit mit Curt Siegel und Günther Wilhelm, den Entwurf für die zwei Kollegiengebäude (K1 1956-60, K2 1960-63) und die Tiefenhörsäle (1965-68).

Als Professor hatte Gutbier die Gruppenarbeit eingeführt und 1964 das »Institut für Städtebau« als Forschungseinrichtung, welche die zwei Städtebau-Lehrstühle wissenschaftlich unterstützen sollte, mitgegründet. Zwei Jahre später hatte er gemeinsam mit Antero Markelin die drei Städtebau-Einrichtungen der Fakultät zum »Städtebaulichen Institut« zusammengeführt. In seiner Entwurfshaltung vollzog Gutbier gegen Richard Döcker die Abkehr vom Leitbild der aufgelockerten und gegliederten Stadt hin zur kompakten Stadt, deren Hauptmerkmal auf dem Gestaltung des Stadtraums liegt.

 

Professor und Leiter des Lehrstuhls für Stadtplanung und Entwerfen von 1972 bis 1981, Dekan des Fachbereichs Orts-, Regional- und Landesplanung von 1975 bis 1977

Egbert Kossak (1936-2016) wurde 1972 als Nachfolger von Rolf Gutbier berufen. Der damals 36-jährige Kossak hatte sich mit der Freien Planungsgruppe Berlin in der strategischen Stadtentwicklung und Stadterneuerung hervorgetan.

Nach Stuttgart hingezogen fühlte sich Kossak auch durch die Ausstrahlung von Christian Farenholtz, der als Baubürgermeister der Stadt Stuttgart maßgeblich an der Entwicklung des Städtebauförderungsgesetzes beteiligt war. Daraufhin brachte Kossak das sogenannte »Diplasp-Planspiel zur Sanierungsmaßnahme nach dem Städtebauförderungsgesetz«, von Jörg Forßmann und Peter Knoch entwickelt, an die Universität. Kossak verfeinerte diese partizipatorische Lehrveranstaltung und brachte dadurch Studenten mit Akteuren aus der kommunalen, städtischen und freiberuflichen Planungspraxis zusammen.

Mit Tagungen und Forschungsprojekten baute er die Kontakte zur Stadt Stuttgart und zu regionalen Kommunen aus. Angeregt durch die gesellschaftspolitischen und fachlichen Paradigmenwechsel der 1960er und 1970er Jahre hatte Kossak auch eine unsystematisch-experimentelle Interdiszplinarität gefördert. Er pflegte enge Kontakte zum Institut für Landschaftspflege und Landschaftsgestaltung (Professor Walter Rossow) und zum Institut für Grundlagen der Planung (Professor Horst Rittel). Das interdisziplinäre Moment Kossaks und Markelins zeigte sich auch in der Zusammensetzung des Lehrkörpers, vor allem unter den Honorarlehrkräften: Neben Architekten und Stadtplanern gab es auch Experten für Volkswirtschaft, Soziologie, Verkehrsplanung, Regionalplanung, ländliche Siedlungsplanung, Geologie, Geografie und Baurecht.

Kossak knüpfte die ersten Kontakte nach Kairo/Ägypten und initiierte zwei Projekte mit Pioniercharakter: Die erste Studienreise des SI nach Südamerika (1978) und die Internationale Tagung »Wohnen in der Stadt« (1978), an dem namhafte Gäste wie Peter Cook und Günther Domenig teilnahmen und sich an Workshops beteiligten. Im Jahr 1981 folgte Kossak dem Ruf als Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt Hamburg, wo er die Entstehung der HafenCity mit in die Wege leitete.

 

Von1963 bis 1977 wissenschaftlicher Mitarbeiter, Professor und Leiter des Fachgebiets Grundlagen der Orts- und Regionalplanung von 1978 bis 1989

Georg Hecking (1932-1989) war von 1978 bis zu seinem plötzlichen Tod Ende 1989 Professor am Städtebau-Institut. Neben Michael Trieb war Hecking der zweite Wissenschaftler am SI, der dank hervorragender wissenschaftlicher Leistungen zum Professor berufen wurde. Hecking, ein Schüler von Richard Döcker, wurde 1967 von Felix Boesler und Rolf Gutbier promoviert. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter gehörte Hecking unter der Leitung von Hansmartin Bruckmann zu den ersten Mitgliedern der 1964 gegründeten Forschungsabteilung »Institut für Städtebau«.

Hecking galt als eingefleischter Theoretiker und akribischer Wissenschaftler. Für die Forschung und Lehre am SI entdeckte er die regionale Dimension und legte den Grundstein für das heutige Fachgebiet Grundlagen der Orts- und Regionalplanung. Hecking forschte und publizierte über die Zusammenhänge zwischen Bevölkerungsentwicklung, Mobilität, Siedlungsentwicklung und Flächennutzungsplanung – oft im kommunalen oder städtischen Auftrag. Einige seiner Arbeiten bildeten eine Grundlage für die politische Entscheidung, die Regionalverbände in Baden-Württemberg zu gründen. Auch in der Lehre widmete sich Hecking nicht nur der wissenschaftlichen Arbeitsmethodik, sondern auch ihrer Anwendung in der Stadt- und Dorfentwicklung in der Region Stuttgart.

In dem städtebaulichen Wechselprozess zwischen Analyse, Bewertung und Planung stand Hecking für den Aufbau der Stadtforschung und die fundierte wissenschaftliche Seite städtebaulicher Planung am Städtebau-Institut.

 

Lehrbeauftragter 1969-1971, 1971 bis 1976 als Assistent und Oberassistent Lehrbeauftragter und Universitätsdozent, außerordentlicher Professor seit 1976, Professor und Leiter des Fachgebiets Stadtgestaltung und Stadtentwicklungsplanung von 1979 bis 2002

Michael Trieb (1936-2019) leitete von 1979 bis 2002 das Fachgebiet Stadtgestaltung und Stadtentwicklungsplanung. Vor und nach dem Diplom bei Rolf Gutbrod an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung der Universität Stuttgart (1966) arbeitete Trieb in Paris an Stadtplanungsprojekten in Frankreich, und in Stuttgart zunächst als selbständiger Architekt vor allem im Industriebau, dann als Bezirksplaner im Stadtplanungsamt Stuttgart und seit 1969 parallel dazu als Lehrbeauftragter am Städtebau-Institut.

Den Lehrauftrag für Stadtentwicklung und Stadtgestaltung führte er weiter als wissenschaftlicher Mitarbeiter am SI bei Antero Markelin (1971-76). Auf die Promotion (1972) folgte eine kumulative Habilitation (1975). Mit Antero Markelin und anderen Kollegen war er Gründungspartner des Planungsbüros URBA Gmbh (1971-1979). Mit dem 1979 gegründeten Stadtbauatelier (seit 2007 Partnerschaftsgesellschaft  ISA Internationales Stadtbauatelier, Stuttgart / Peking / Santiago de Chile) verwirklichte Trieb zahlreiche Städtebauprojekte insbesondere in Deutschland und China. 

Initiiert durch Jugenderfahrungen, ermutigt von Achmed Aru, gefördert durch Antero Markelin und angeregt durch Kevin Lynch, Gordon Cullen, Edmund N. Bacon und Thomas Sieverts mit der FPB Freie Planungsgruppe Berlin wurden Stadtgestaltung und Stadtentwicklung zu den Schwerpunkten der Triebschen Forschungsleidenschaft. Den akademischen Maßanzug erhielt sie mit dem Fachgebiet für Stadtgestaltung und Stadtentwicklungsplanung, das 1979 auf Betreiben von Antero Markelin vom Land Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart am SI eingerichtet wurde. Unter seinen Publikationen ragt hervor: Stadtgestaltung. Theorie und Praxis. Bauwelt Fundamente 43 (Düsseldorf 1974). Mit der Emeritierung Triebs im Jahr 2002 hat das Land Baden-Württemberg das Fachgebiet in den Lehrstuhl für Städtebau und Entwerfen integriert. 

 

Professor und Leiter des Lehrstuhls Stadtplanung und Entwerfen von 1982 bis 1994, Dekan der Fakultät von 1986 bis 1988

Klaus Humpert (1929 - 2020) wurde 1982 als Nachfolger von Egbert Kossak berufen. Er brachte eine reichhaltige und vielschichtige Erfahrung als Architekt und Stadtplaner aus der städtischen Planungspraxis in Freiburg im Breisgau mit, wo er 27 Jahre tätig war, davon 15 Jahre als Leiter des Stadtplanungsamts. In den 1960er Jahren erkannte Humpert die Unzulänglichkeiten des Ideals der reinen Moderne, die er im Studium an der TH Karlsruhe bei Egon Eiermann und Ernst Otto Schweizer kennengelernt hatte.

Dem kontextuellen Städtebau verpflichtet, versuchte Humpert, seine Studenten zu sensibilisieren für die Bedeutung und Zusammenhänge zwischen Gebäude, Parzelle oder Dachlandschaft einerseits und zwischen den Maßstabsebenen von Kulturlandschaft, Stadtregion, Stadtquartier, Lageplan und Gebäudegrundrissen andererseits. Zugleich hob er die Bedeutung der planerischen Verwaltung hervor und plädierte dafür, die gesellschaftlich-politischen Gesichtspunkte des Städtebaus zu berücksichtigen. Humpert pflegte Aufgaben zu stellen, die unmittelbar mit gesellschaftlich-politischen Veränderungen zusammenhingen – etwa mit der Wiedervereinigung und der Öffnung nach Osteuropa. Im Jahr 1984 organisierte er Humpert die erste Studienreise der Fakultät nach Polen. Ein begnadeter Rhetoriker, vermochte Humpert es stets, seine Zuhörerschaft mit leidenschaftlichen Plädoyers zu beeindrucken. Die Quintessenz seiner Städtebau-Lehre legt Humpert mit Einführung in den Städtebau (1997) vor.

Sein Forscher-Interesse für die Stadtentwicklung schlug sich nieder in Schriften wie Das Phänomen der Stadt (SI-Arbeitsbericht 46, 1992), im Sonderforschungsbereich 230 Natürliche Kon-struktionen (gemeinsam mit Frei Otto, 1995/1996) und schließlich in seinem Hauptwerk Entdeckung der mittelalterlichen Stadtplanung – Das Ende vom Mythos der gewachsenen Stadt (2001).

Gemeinsam mit ehemaligen Mitarbeitern, Freunden und Kollegen Humperts rief sein Nachfolger Franz Pesch den »Klaus-Humpert-Preis für innovativen Städtebau« ins Leben.

 

Professor und Leiter des Fachgebiets Städtebau in Asien, Afrika und Lateinamerika (SIAAL) von 1990 bis 2010

Eckhart Ribbeck (* 1942) wurde 1990 als Leiter des neugegründeten Fachgebiets »Planen und Bauen in Entwicklungsländern« berufen. Davor war Ribbeck Gastprofessor an der Nationalen Universität von Mexiko/UNAM (1988-90) und Assistent am Institut für Tropenbau der TH Darmstadt (1974-77). Ribbeck hat 1987 an der TH Karlsruhe promoviert und rund zehn Jahre im Ausland gearbeitet, darunter  in Guyana, Brasilien, Peru und Mexiko. Ribbecks profundes Interesse für das Planen und Bauen in außereuropäischen Kulturen wurde entscheidend von Prof. Lothar Götz angeregt, bei dem er 1971 an einer der ersten Afrika-Exkursionen teilnahm und mit einer Arbeit über den postkolonialen Städte- und Wohnungsbau in Zambia diplomierte. Die systemkritischen Debatten der 1960er und 1970er Jahre (etwa von John Turner an der Architectural Association in London und die Habitat-Konferenz 1976) waren ebenso prägend für die damalige Fachdiskussion. Um den Enwicklungshilfe-Ansatz zu überwinden, unter dem das Fach ursprünglich entstanden war, wurde das neue Fachgebiet in »Städtebau in Asien, Afrika und Lateinamerika« / SIAAL umbenannt.

Den Schwerpunkt seiner Lehre bildeten Vorlesungen und Entwürfe zum Planen und Bauen im aussereuropäischen Regionen, dies vielfach verbunden mit Exkursionen und Workshops in zahlreichen Ländern, insbesondere in Lateinamerika, China und im Nahen Osten. Neben der Besichtigung und Erfahrung anderer Baukulturen stand dabei die intensive Zusammenarbeit mit lokalen Universitäten und die gemeinsame Arbeit der Stuttgarter mit einheimischen Studenten im Vordergrund. In diesem Bereich kam Stuttgart um 1990 eine Pionierrolle zu.

Das SIAAL beteiligte sich auch an anderen internationalen Lehrprogrammen der Universität Stuttgart, vor allem im englischsprachigen Masterkurs »MIP – Master of Infrastructure Planning«. Neben der Lehre nahm die Forschung einen breiten Raum ein, dies im Rahmen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Volkswagen-Stiftung geförderten Projekten in Algerien, Mexiko, Oman und Usbekistan. Wichtige Themen in Forschung und Lehre waren das informelle oder spontane Bauen, das rasante Stadtwachstum in vielen Ländern, Südmetropolen und Megastädte. Von Ribbecks zahlreichen Vorträgen, Publikationen und Ausstellungen sei hier nur die Schau Die Welt wird Stadt genannt (Galerien des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart und Berlin, 2009).

 

Professor und Leiter des Fachgebiets Grundlagen der Orts- und Regionalplanung von 1992 bis 2016, Vorsitzender des Promotionsausschusses der Fakultät von 2005 bis 2016

Johann Jessen (* 1949) wurde 1992 als Nachfolger von Georg Hecking ans SI berufen. Nach dem Studium der Architektur mit Schwerpunkt Stadtplanung an der TH Darmstadt war Jessen zunächst freiberuflich als Stadtplaner tätig. Von 1978 bis 1990 war er am damaligen Studiengang Stadt- und Regionalplanung der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Lehre und Forschung tätig. Als Gründungsmitglied der Arbeitsgruppe Stadtforschung hat er an zahlreichen Projekten der Stadt- und Planungsforschung mitgearbeitet und in diesem Feld auch promoviert und habilitiert.

Diesen Schwerpunkt hat er – in Kontinuität zu seinem Vorgänger – am Städtebau-Institut fortgeführt. Als Stadtforscher widmet sich Jessen der empirischen Forschung an der interdisziplinären Schnittstelle von Stadtplanung und Sozialwissenschaften. Neben den anwendungsorientierten Studien für Ministerien und Verbände mit dem Ziel, räumliche Planung und Stadtpolitik zu informieren und zu qualifizieren, steht die Grundlagenforschung über aktuelle Tendenzen der Stadtentwicklung und normative Grundlagen der Planung. Einen Fokus bildete die international vergleichende Forschung zu verschiedenen Themenfeldern: der Planung städtebaulicher Nutzungsmischung, dem Stadtumbau in alten Industrieregionen, der Umnutzung des Gebäudebestands, neuen Ansätzen zur Quartiersinfrastruktur im Zeichen des demographischen Wandels und zuletzt dem Vergleich von Reurbanisierungsprozessen in Deutschland und den USA. Ein weiterer Forschungsstrang bezieht sich auf Lern- und Innovationsprozesse der räumlichen Planung als Fachdisziplin und die Rolle städtebaulicher Leitbilder. Viele Projekte sind in enger Kooperation mit deutschen und internationalen Forschungseinrichtungen entstanden.

In der Lehre ist es ihm ein Anliegen, in den Seminaren und Vorlesungen den Studentinnen und Studenten ein erweitertes Verständnis von Stadtentwicklung nahe zu bringen, in dem an aktuellen Themenfeldern immer auch deren sozialen, ökonomischen und kulturellen Dimensionen gezeigt und reflektiert werden. Damit korrespondiert auch eine Didaktik in den Entwurfsprojekten, in der Stadtplanung nicht nur als gestalterische Disziplin, sondern am Beispiel von städtebaulichen Rahmenplänen vor allem in seiner Einbindung in soziale und politische Kontexte vermittelt wird. Zum Lehrprogramm gehören auch die Dorfwerkstätten, die regelmäßig im Sommersemester in einer ländlichen Gemeinde Baden-Württembergs veranstaltet werden.

Von 1996 bis 2000 war Johann Jessen Studiendekan, seit 2005 Vorsitzender des Promotionsausschusses der Fakultät. In 1995 hat Jessen hat das »Städtebau-Kolloquium Stuttgart« begründet, das das Städtebau-Institut seit Ende der 1990er Jahre gemeinsam mit der Regionalgruppe Baden-Württemberg der Vereinigung der Stadt-, Regional- und Landesplanung SRL e. V. durchführt. Die Vortragreihe mit namhaften Referenten hat sich in den zwei Jahrzehnten seines Bestehens als gut besuchte und geschätzte Plattform für die Fachdebatte unter Architekten, Stadt- und Regionalplanern und -innen in der Region Stuttgart etabliert.

2008 war Jessen Gastprofessor am Metropolitan Institute der Virginia Tech in Alexandria, VA (USA). Von seinen Engagements in Fachgremien und Institutionen seien hier nur genannt: 2012 – 2015 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Leibniz-Instituts für Ökologische Raumentwicklung IÖR in Dresden; seit 2013 Mitglied des Präsidiums der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung DASL; seit 2008 Mitglied des Wissenschaftlichen Kuratoriums der Arbeitsgemeinschaft »Forum Stadt e. V.« und Mitherausgeber der gleichnamigen Zeitschrift (seit 2015).

 

Professor und Leiter des Lehrstuhls für Stadtplanung und Entwerfen von 1994 bis 2014, Dekan der Fakultät von 2000 bis 2002

Franz Pesch (* 1947) wurde 1994 als Nachfolger von Klaus Humpert berufen. Nach einem Architektur- und Städtebaustudium an der RWTH Aachen wurde Pesch 1981 im Bereich der Stadt- und Raumplanung promoviert, 1982 gründete er das Büro Pesch & Partner, Architektur und Stadtplanung, heute mit Sitz in Dortmund und Stuttgart, 1992-93 war er Gastprofessor an der Gesamthochschule Kassel. Von 2000 bis 2002 war Pesch Dekan der Stuttgarter Fakultät für Architektur und Stadtplanung, von 2006 bis 2009 Mitglied des Universitätsrats. Als Ansprechpartner der Fakultät für den Frankreich-Schwerpunkt des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung der Universität Stuttgart setzte er sich für die Zusammenarbeit mit französischen Universitäten ein.

In der Lehre und Forschung widmete sich Pesch mit Leidenschaft dem Phänomen der »Europäischen Stadt«. In Vorlesungen, Seminaren und Entwürfen ging er der Frage nach, wie die sich wandelnden gesellschaftlichen Anforderungen an die Stadt im Entwurfsprozess in lebenswerten und kunstvoll gestalteten Stadträumen ihren Ausdruck finden können. Besonderes Augenmerk richtete er auf die Beziehung von Ort und Morphologie, die Weiterentwicklung urbaner Typologien und die Qualität des öffentlichen Raums.

In der Forschung konzentrierte sich Pesch auf die Themen Stadterneuerung und Innenstadtentwicklung. In mehreren Projekten befasste er sich mit dem Strukturwandel der Zentren und Nebenzentren und der Veränderung der Handelsformen, zuletzt in der Publikation Stadt-Center (mit Wolfgang Christ, 2013). Seit 2001 hat Pesch mit wechselnden Mitherausgebern eine Buchreihe publiziert, in der aktuelle Phänomene der Stadtentwicklung kritisch reflektiert werden – die Bände Stadt und Kultur (2001), Stadt und Wirtschaft (2004), Stadt und Bürger (2006) sowie Stadt und Landschaft (2009).

Als freiberuflicher Architekt und Stadtplaner hat Pesch zahlreiche Wettbewerbe gewonnen; um nur drei zu nennen: die städtebaulichen Konzeptionen für das neue Quartier auf dem Stuttgarter Killesberg, für das Quartier am Neckarpark (Stuttgart) und für die Innenstadt der chinesischen Metropole Chongqing tragen seine Handschrift. Aus der langen Reihe der Entwicklungskonzepte sollen hier das Stadtentwicklungskonzept Stuttgart (2004-06), das Planungsleitbild für die Innenstadt Dresden (2006-07) und das Innenstadtkonzept Bremen (2012-14) hervorgehoben werden. Die unter Leitung von Franz Pesch entstandenen Entwürfe wurden mit etlichen Preisen gewürdigt (zum Beispiel war er mit dem Projekt »Darby-Kaserne Fürth«  Landessieger beim Bayerischen Landeswettbewerb »Stadt recyceln – Revitalisierung innerstädtischer Brachflächen«, 2006).

Als Preisrichter, oftmals in der Verantwortung des Vorsitzenden, beeinflusst Franz Pesch die städtebauliche Entwicklung in vielen deutschen Städten. In Beratungsgremien – zum Beispiel im Städtebau-Ausschuss der Stadt Stuttgart und im Baukunstbeirat der Stadt Nürnberg – setzt er sich entschieden für die Kultur des Planens und Bauens ein. Er engagiert sich im »Netzwerk Baukultur« des Landes Baden-Württemberg und wurde in das Kuratorium »Nationale Stadtentwicklungspolitik«, den Beirat des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), berufen.

 

Professor und Leiter des Lehrstuhls für Städtebau und Entwerfen von 1997 bis 2015, Dekan der Fakultät von 2006 bis 2010

Helmut Bott (* 1949)  ist, wie sein Vorgänger Antero Markelin, Architekt und Stadtplaner. Nach dem Studium an der TU Darmstadt (1967-74) war er dort wissenschaftlicher Assistent und wurde von Thomas Sieverts und Helmut Böhme promoviert. In seiner freiberuflichen Tätigkeit hat Bott seit 1981 an zahlreichen Wettbewerben teilgenommen, etliche Preise gewonnen und ist als Preisrichter aktiv. 1985 wurde er Professor für Stadtbaulehre an der Fachhochschule Köln, 1997 folgte die Berufung ans SI.

Den inhaltlichen Schwerpunkt des Lehrstuhls legt Bott auf die Erkundung konzeptioneller Aspekte an der Schnittstelle zwischen Architektur, Städtebau und Stadtgestaltung. Vor dem Hintergrund der Globalisierung und Medialisierung interessiert ihn insbesondere das transformatorische Spannungsfeld, das zwischen zwei Brennpunkten entsteht: internationalen Architektur- und Städtebauströmungen einerseits, lokale/regionale Identität andererseits. Hier baute Bott drei SI-Traditionsstränge aus: die städtebauliche Anwendung neuer Medien (SI-Medienlabor), die Stadtbaugeschichte und die Internationalisierung. Er leitet das ERASMUS-Programm der Fakultät und setzte sich als Dekan (2006-10) maßgeblich dafür ein, im Rahmen der Bachelor-Master-Reform mit dem internationalen Jahr eine Besonderheit der Stuttgarter Fakultät zu etablieren. Internationale Kooperationen in Lehre und Forschung sind begleitet von Gastprofessuren an Universitäten in China und Korea, darunter an der Zhejiang Universität, Hangzhou. Unter den Forschungsprojekten sticht »UniverCity« hervor (in Kooperation mit der Jiatong-Universität in Xi’an, China): die erste weltweit angelegte stadtbau- und ideengeschichtliche Studie über die Wechselwirkungen zwischen Stadt und Universität vom Mittelalter bis heute (seit 2013 Wanderausstellung, 2015 Katalog).

Zu Botts weiteren Publikationen gehören Verdichteter Wohnungsbau (mit Volker v. Haas, 1996), Stadt- und Kommunikation im digitalen Zeitalter (u. a. mit Franz Pesch, 2000), Vom Leib zum großen Plan. Über den Entstehungszusammenhang räumlicher Ordnungs- und Gestaltungsprinzipien (2013), und das Kompendium Nachhaltige Stadtplanung. Konzepte für nachhaltige Quartiere (Edition Detail 2013). Entstanden in Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Team aus Wissenschaft, Planungspraxis und Wirtschaft, stellt es eine der ersten ganzheitlichen Betrachtungen der Nachhaltigkeit in der Stadtplanung dar. 

Außerdem ist Bott Gründungsdekan der Architekturfakultät der German University Cairo / GUC (seit 2010), Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des internationalen »Città slow«-Netzwerks (seit 2010) und Kolumnist der chinesischen Fachzeitschrift Community Design, Beijing.

Botts kulturwissenschaftliches Interesse führte 1999 zur Mitgliedschaft im Direktorium des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung der Universität Stuttgart / IZKT, seit 2014 ist er dessen Vorsitzender.

 

Professor und Leiter des Fachgebiets Internationaler Städtebau von 2010 bis 2013

Philipp Missewitz (* 1974) ist Architekt und Stadtplaner. Nach Studien in Großbritannien an der University of Cambridge und der Architectural Association in London war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am SIAAL (2006-2009) und lehrte in Istanbul. Auf seine Promotion mit dem Thema Camp Cities – Urbanisierung von Flüchtlingslagern (2009) folgte 2010 der Ruf nach Stuttgart als Nachfolger von Eckhart Ribbeck und die Umbenennung des Fachgebiets in SIIS (Städtebau-Institut/Internationaler Städtebau). Im Frühjahr 2013 wurde Misselwitz an die Habitat Unit der TU Berlin als Nachfolger von Peter Herrle berufen.

In Zusammenarbeit mit der Ain Shams Universität in Kairo und dem DAAD hat Misselwitz das SI mit dem dualen Masterprogramm Integrated Urbanism and Sustainable Design (IUSD) institutionell ergänzt.

Misselwitz ist auch tätig als Berater und Forscher für deutsche und internationale Entwicklungshilfeorganisationen wie der GIZ und UNO. Zudem hat er internationale Ausstellungen kuratiert (darunter Grenzgeografien, Liminal Spaces, Refuge, Space Time Dignity Rights, Open City Istanbul) und ist Netzwerkpartner von Urban Catalyst Studio.

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